Der Ausbau von Schächten mit dem Seil

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Man kann eigentlich gar nicht viel falsch machen. Prinzipiell sitzen am Anfang jeden Seiles zwei sichere Aufhängungen, Seilreibung muß vermieden werden, beim Ausbrechen einer Aufhängung muß der entstehende Fangstoß möglichst klein sein.

Am besten wird die Seillast auf die zwei Aufhängungen wie in Abbildung 158 verteilt (über Schlingen oder Hasenohrenknoten). Über die bekannten Formeln der Mechanik oder – einfacher und anschaulicher über das „Kräfteparallelogramm“ kann man die Kräfteverhältnisse für die Aufhängung an den 2 Punkten bestimmen. Die in Punkt C angreifende Kraft wird in die Teilkräfte FA und FB zerlegt, die auf die jeweilige Aufhängung wirken. Man merkt schnell, daß sich ein kleiner Winkel ? günstig auf die Belastung der Aufhängungen auswirkt. Bei ?=120° wirkt auf A und B die volle Kraft F, und bei weiter steigendem ? läßt sich die Kraft auf die Aufhängungen ins Unendliche treiben – das ist auch beim Einrichten eines Quergangs zu beachten!

Die Einbindung des Seils in zwei Aufhängungen mit einer Schlinge zeigt Abbildung 159, auf diese Weise wird die Kraft auf beide Schlingenstränge verteilt und beim Ausreißen einer Aufhängung wird das Seil dennoch in der Schlinge verbleiben. Man kann, um den Fangstoß beim Ausreißen einer Aufhängung zu minimieren, einen Knoten setzen. Einfacher geht es mit zwei kurzen Schlingen, dann läßt sich auch wie beim Hasenohrenknoten die Lages des Seils im Schacht beeinflussen (Abbildung 160). Die Länge der Ohren beim Hasenohrenknoten läßt sich im übrigen auch im geknüpften Zustand schön anpassen.

Ist eine Zwei-Punkt-Aufhängung nicht realisierbar, dann wird nur eine Aufhängung belastet und die zweite Aufhängung dient im Fall des Versagens der ersten als Rückversicherungspunkt (Abbildung 161). Beim Ausbruch der ersten Seilaufhängung wirkt aber zusätzlich zur Last noch der Fangstoß auf die zweite Seilaufhängung. Daher sollte die Verbindung in einem solchen Fall möglichst kurz sein und auf unnötiges "Schlappseil" verzichtet werden, um die Sturzlänge gering zu halten.

Wo das Seil im Schacht laufen soll, richtet sich zunächst nach dem Zustand des Schachtes selbst. Man wird selbstverständlich die Stelle mit dem geringsten Sudelbatz wählen, sieht sich nach eventuellen Lösern um. In Wismutschächten ist das Fördertrum meist das geeignetere, im Fahrtentrum hat man oft gegen die Reste der Fahrten und Bühndeckel zu kämpfen. Hat man jedoch in Tonnlägern noch tragfähige Einbauten (speziell: gut erhaltene Fahrten, Schienen mit Schwellen) zur Verfügung, wäre es dumm, auf diese zu verzichten, da das Hochsteigen in diesen Schächten nicht zu den Freuden einer Befahrung gehört. Man braucht dann hochzu nur eine Selbstsicherung und kann auf den Rest der Steigtechnik verzichten.

Wechselt der Zustand der einzelnen Trümer des Schachtes unterwegs, wechselt man mit. Man setzt dann im Schacht eine Zwischenbefestigung. Eine Zwischenbefestigung setzt man ebenfalls, wenn dies zur Vermeidung der Seilreibung an Kanten erforderlich ist, oder in einem langen Schacht. Dann können mehrere zugleich steigen - natürlich nur, wenn die Steinschlagsituation es zuläßt. Zwischenaufhängungen müssen zwar auch sauber sitzen, brauchen aber nicht mehr doppelt zu sein - im Fall des Ausreißens der Zwischenbefestigung hängt man ja noch an der weiter oben befindlichen Aufhängung. Beim Einbau der Umsteigstellen berücksichtigt man die Seildehnung und läßt eine entsprechende Schlaufe hängen, damit man auch bei entlastetem Seil noch den Abseiler ein- und ausbauen kann Günstig ist eine Seilschlaufe des entlasteten oberen Seiles von etwa einem halben Meter (Abbildung 163). Die Passage einer solchen Umsteigstelle wird weiter unten erläutert.

Eine Lehrbuchvariante für einen "typisch sächsischen" Schacht zeigt Abbildung 162. Die zwei Aufhängungen a) sitzen in sicherer Entfernung vom Schacht (man kann auch beim Stolpern noch nicht hineinfallen) und gewährleisten die mechanische Sicherheit der Aufhängung auch im Falle, daß die Aufhängung b) ausreißt. Zudem dient das kurze Stück Quergang zur Sicherung während des Setzens von b) und beim Einbau des Abseilers. Die Aufhängung b) dient für den ersten Seilabschnitt zur günstigen Positionierung des Seils. Die Seilführung c) dient dazu, das Seil bis zur Umsteigstelle vor der Reibung am Stoß zu bewahren (an dieser Stelle gibt es keinen Knoten, das Seil wird lediglich geführt, beim Passieren der Stelle hängt man einfach den Führungskarabiner aus und nach sich wieder ein. Das Stück Schlinge, welches die zwei Karabiner verbindet, ist in der Darstellung etwas zu kurz gekommen). Aufgrund des geringen Umlenkwinkels wirken auch nur geringe Kräfte auf die Aufhängung c) (siehe Abbildung 166), so daß auch ein Spit auf Zug oder ein mäßiger Haken als Aufhängung verwendet werden kann. Im Fall eines Versagens wären die Folgen im Beispiel auch unkritisch. Die Aufhängung d) wird mittels einer statischen Schlinge realisiert, das Seil hat keinen Kontakt zum Felsen. Eine solche Aufhängung ist einem wacklig postierten Spit auf der Felsnase vorzuziehen. Es darf sich jedoch keine Hebelwirkung über den Karabiner ergeben, die auf den Spit ausziehend wirkt – sonst müßte die Position des Spit geändert oder eine Lasche zur direkten Anbindung der Schlinge verwendet werden. Ist keine abgerundete Nase, sondern eine scharfe Kante an dieser Stelle vorhanden, besteht die Gefahr des Durchreibens auch bei einer statischen Schlinge. Man muß dann abschätzen, ob ein Versagen an dieser Stelle kritisch wäre, und gegebenenfalls unmittelbar bei e) eine – hier nicht dargestellte – weitere Aufhängung setzen. Ganz sauber wird eine solche Situation mit einer Schlinge aus Drahtseil gelöst – wenn man den Schacht öfter befahren will und nicht nur eine erste Erkundung durchführt, bereitet man eine solche vor.

Kann aus irgendwelchen Gründen eine Scheuerstelle nicht vermieden werden, sorgt man dafür, das daß Seil nicht am Felsen reibt. Es gibt fertige Seilüberzieher, ein untergelegter Schleifsack tuts auch. Beide Varianten müssen gegen Verrutschen gesichert werden, durch das „Pumpen“ beim Aufstieg sind sie sonst bald nicht mehr da, wo sie sein sollten. Der manchmal empfohlene längs geschlitzte Wasserschlauch ist praktisch, aber wirkungslos, da er sich schnell mit dem Schlitz zur Kante hingearbeitet hat.

Eine praxisnahe, ebenfalls für Sachsen typische Einbausituation zeigt Abbildung 164. Im Hintergrund ist ein typisches Schlägelprofil für einen Stolln, aufgefahren im Gangeinfallen wie auch der Schacht, angedeutet. Das Füllort kann ohne Absturzgefahr auf dem Sims b) betreten werden. Die Aufhängung a) ist selbstverständlich doppelt ausgeführt. Schwachpunkte dieser Aufhängung sind die Kante c) die dem Seil gefährlich werden könnte (Schleifsack oder Scheuerschutz verwenden), und die (zwar sehr geringfügig, aber doch) auf Zug belasteten Aufhängungen a). Zum einmaligen Erkunden der Abbaustrecke e) und der Fahrbarkeit des Schachtes reicht die gewählte Aufhängung aber allemal aus, wenn die Spit a) zuverlässig sitzen. Will man tiefer, empfiehlt es sich, spätestens in d) eine weitere Aufhängung zu setzen. Alternativ hätte man gleich bei f) eine Seilführung anbringen zu können. Man erkennt, daß es keine Patentrezepte gibt, sondern daß man situationsbezogen entscheiden muß.

An einem Seilabschnitt hat nur ein Befahrer etwas zu suchen, oder anders herum - jedem seine Zwischenbefestigung. Verläßt man seinen Seilabschnitt – das heißt nach dem Entfernen aller Gerätschaften und auch nicht mehr mit einem Bein in einer fremden Schlaufe hängend, gibt man ihn für den Nächsten frei: „Seil Frei!“. Dann kommt ein „OK“ oder ein „wurde ja langsam Zeit!“ zurück. Umgekehrt wartet man auch selber mit dem Einbau in den nächsten Seilabschnitt bis dieser vom Vorgänger freigegeben wurde. In langen Schächten funktioniert die Verständigung auf Zuruf nicht mehr gut (auch deswegen in langen Schächten Zwischenbefestigungen), man kann dann auf die bewährte Anschlägertechnik zurückgreifen, so Schienen oder Preßluftleitungen vorhanden und ausreichend fest:

  • 1 x „Halt“,
  • 2 x „Weiter“,
  • 3 x „Umkehren“,
  • andauernde kurze Signale „Gefahr“.

Eine Seilverlängerung realisiert man am besten unmittelbar an einer Umsteigstelle. Die zwei Seile werden auf jeden Fall direkt über einen gesteckten Achter – nicht nur über den Karabiner! - miteinander verbunden (Abbildung 165). Herumhängende Enden werden mit einem Endknoten gesichert!

Wird eine Umsteigstelle im frei hängenden Seil erforderlich, braucht man eine Möglichkeit seine Zwischensicherung einzuhängen. Das geht mit einem weiteren Achterknoten im endenden Seilstück (Abbildung 168) oder eleganter und seilsparend mit einer weiteren Abart des Achterknotens (Abbildung 167).

Den Ausbau des Schachtes nimmt der erste Abseilende vor, der auch schon den Schacht soweit notwendig bereißt. Umsteigstellen baut man im senkrechten Schacht zwangsläufig unter sich ein und muß sie dann auch noch selbst passieren. Hat man Glück, findet man (speziell im Tonnläger) jedoch eine kleine Standfläche, kann dort in Ruhe und im Stehen die Aufhängung setzen und die Umsteigstelle so befestigen, daß man schon darunter hängt. Diese Variante ist auch für die Nachfolgenden praktisch, die sich nicht so mit dem Aushängen der Longe schinden müssen.

Hat man am Schachtgrund noch sehr viel Seil übrig, mit welchem man gleich den nächsten Schacht oder Quergang sichern möchte, muß man eventuell weitere Sicherungen setzen, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden. In Abbildung 169 sind solche Situationen dargestellt: der Quergang zur Absicherung am Schacht c) braucht auch bei b) eine Befestigung, ließe man sie weg, käme man wahrscheinlich schon im Schachtgrund von c) an, bevor das Seil greift – es ist zuviel schlaffes Seil draußen, der Fangstoß wäre sehr stark. Analog braucht der Schacht bei d) wiederum eine Doppelaufhängung. Müßte man hier einen Quergang bis zum Füllort installieren, wäre zudem bei e) noch eine Aufhängung nötig.

Läßt man dagegen Seil im Schachtgrund liegen, entfernt man es aus dem Steinschlagbereich und schützt es vor Dreck und Sudel, am besten läßt man es im Seilsack. Je nach Situation kann es empfehlenswert sein, das Seil unten irgendwo nochmals zu fixieren - dann ist man sicher, daß es auch auf dem Rückweg noch da ist. Es sollte jedoch nicht straff gespannt werden, um auch einem Folgenden das Abseilen zu ermöglichen.

Der Zurückbau eines Schachtes erfolgt in umgekehrter Reihenfolge: Der Letzte steigt auf, demontiert alle Laschen und entfernt die Knoten aus dem Seil. Bestehen aufgrund vorhandener Einbauten im Schacht Bedenken, daß sich das Seil verhängen könnte, nimmt er es gleich beim Hochsteigen aller paar Meter auf und verstaut es im Seilsack. In leeren Schächten läßt sich dagegen das Seil (nichts anderes!) fast immer problemlos über die ganze Länge nach oben ziehen.